Pervitin - Die Droge des Zweiten Weltkrieges

Sonja Furtschegger
BG Mössingerstraße

Gleich zu Beginn meiner Präsentation zum VWA-Thema „Pervitin – Die Droge des zweiten Weltkrieges“, habe ich eine kurze Aufgabe für Sie, die mit folgender Bitte verbunden ist: Stellen Sie sich in Gedanken ganz spontan den typischen deutschen Soldaten aus dem 2. Weltkrieg vor!
Ich gehe davon aus, dass wir alle bei dieser Vorstellung zu einem Bild kommen, das in etwa gleich aussieht. Denn in all unseren Köpfen ist der typische deutsche Soldat fest verankert und sieht wohl folgendermaßen aus: ein muskulöser, großgewachsener und durchtrainierter Typ mit hellem Haar, blauen Augen und markanten Gesichtszügen.
Während des 2. Weltkrieges konnte sich die deutsche Heeresführung neben einer modernen Ausrüstung und einer fundierten Ausbildung auch auf das Wachhaltemittel PERVITIN verlassen. Entwickelt wurde das synthetische Methamphetamin eigentlich als Allheilmittel bereits Mitte der 1930er Jahre vom Berliner Chemiker Dr. Fritz Hauschild. Da es auch zur Leistungssteigerung von Sportlern während der Olympischen Spiele in Berlin 1936 eingesetzt wurde, fand es schon bald sowohl in der Zivilbevölkerung als auch in militärischen Kreisen großen Anklang.
Bevor ich genauer auf das Verhältnis des deutschen Heeres und seines Oberbefehlshabers Adolf Hitler zu Pervitin eingehe, möchte ich Ihnen noch einen Eindruck über die Handhabung aufputschender Mittel in der Zivilbevölkerung geben. Bereits in der Weimarer Republik (1918 – 1933) pflegten die deutschen Bürger einen recht lockeren Umgang mit allerlei chemischen Substanzen. Morphinhaltige, aufputschende Produkte (Kokain) waren aus dem Alltagsleben der Menschen gar nicht mehr wegzudenken. Erst 1933 setzten die Nationalsozialisten diesem Treiben durch ihre Machtübernahme und durch diesbezügliche Einschränkungen ein Ende. Unter der Hand nutzte die neue Führung dieses Verbot, um verschiedene Bevölkerungsschichten gegeneinander aufzuhetzen. Die Menschen wurden dazu veranlasst, ihre Mitbürger zu bespitzeln und sogar Kinderliteratur (z. B.: „Der Giftpilz“) wurde als Propagandamittel unter den Kleinsten zum Einsatz gebracht.
Trotz aller Reglementierungen steigerte die Hersteller-Firma Temmler bald ihre Produktion in Millionenhöhe. Außerdem wendeten im Gesundheitsbereich tätige Menschen den sogenannten „Dealertrick“ an. Das bedeutet, sie berichteten potenziellen Kunden über ihre eigenen positiven Erfahrungen mit dem Produkt und kurbelten dadurch den Verkauf enorm an. Über Apotheken und den Lebensmittelhandel hatte jedermann/-frau jederzeit Zugang zu Pervitin, sodass das Mittel auf diese Weise flächendeckend in sämtliche Bevölkerungsschichten gelangte. Von lernwilligen Studierenden über gestresste Hausfrauen bis hin zum überlasteten medizinischen Personal – alle wollten und konnten nicht mehr auf Pervitin verzichten. Die Vorteile überwogen, etwaige Nebenwirkungen wurden ganz einfach ignoriert. Über ausgiebige Werbemaßnahmen (auf Litfaßsäulen, in Bussen, auf Plakaten) war das blau-orange gefärbte Röhrchen ohnehin bald allen bekannt. Wie sorglos von Seiten des Herstellers mit dem Produkt umgegangen wurde, zeigt der Verkauf von mit Pervitin angereichertem Hustensaft für Kleinkinder. Auch in den Hildebrand-Pralinen, einem bekannten Edelkonfekt, kam der Wirkstoff in fünffacher Menge vor. Pervitin verbesserte also die Konzentrationsfähigkeit und stärkte das Durchhaltevermögen. Die wenigsten waren sich der Gefahren bewusst, welchen sie sich durch die sorglose Einnahme aussetzten. Um nämlich dem völligen Zusammenbruch der Leistungsfähigkeit entgegenzuwirken, war eine ständige Erhöhung der Dosis nötig. Diese wiederum führte durch eine Abwärtsspirale zum totalen Zusammenbruch.
Dass Pervitin nicht nur in der Zivilbevölkerung, sondern vor allem bei den deutschen Soldaten eine bedeutende Rolle zukam, bewies Dr. Otto Ranke, der Leiter des Instituts für allgemeine und Wehrphysiologie. Selbst von Pervitin abhängig, belegte er durch großangelegte Versuchsreihen unter Heeresangehörigen deren Abhängigkeit von dieser Substanz. Ich persönlich habe im Zuge meiner Recherche die Versuchsreihe am sogenannten „Schuhläuferkommando“ im KZ Sachsenhausen als am unmenschlichsten empfunden. Häftlingen, denen die Testung von Schuhsohlen vorgegaukelt wurde, mussten nach Einnahme von Pervitin und mit schwerem Gepäck beladen - solange sie das durchhalten konnten – immer wieder eine 700 Meter lange, beschwerliche Wegstrecke zurücklegen.
Im Bezug auf das deutsche Heer wurde im April 1940 der sogenannte „Weckmittelerlass“ veröffentlicht. Er enthält die offizielle Anweisung zum Einsatz und zur Bevorratung von Pervitin, um den Faktor Müdigkeit an der Front auszuschalten. Im starken Gegensatz dazu steht der Versuch der Behörden durch die Einführung der Rezeptpflicht die missbräuchliche Nutzung in der Zivilbevölkerung einzudämmen.
Der Einsatz von Pervitin – das nicht zuletzt in Form von „Panzerschokolade“ an die Soldaten ausgegeben wurde – machte sich in den Blitzkriegen in Frankreich und Polen anfangs noch bezahlt. Doch schon beim Kampf um England zeigten sich ernste Probleme in der Nutzung. Im Russlandfeldzug kam es – nicht zuletzt durch Fehlentscheidungen der Führung – zum Desaster. Und selbst als der Verlust des Krieges nicht mehr zu verhindern war, versuchte die deutsche Marine durch den Einsatz von Mini-U-Booten, deren Besatzungen aus völlig unerfahrenen, mit Pervitin „vollgepumpten“ Hitlerjungen bestanden, doch noch Einfluss auf den Kriegsverlauf zu nehmen.
In welch hohem Maß alle Soldaten auf das Wachhaltemittel angewiesen waren, zeigen die Bittbriefe um Pervitin, welche der spätere Literatur-Nobelpreisträger Heinrich Böll als ganz junger Soldat von der Front nach Hause an seine Verwandtschaft schickte.
Der letzte Teil meiner Präsentation gilt dem Führer Adolf Hitler, der schon in jungen Jahren unter Verdauungsbeschwerden litt. Als Vegetarier hatte er sich zwar immer vehement gegen jegliche Nutzung von Drogen ausgesprochen, doch als er Dr. Theodor Morell kennenlernte, und dieser Hitlers Leiden durch Vitaminspritzen kurieren konnte, stellte er Dr. Morell aus Dankbarkeit als Leibarzt ein. Schon bald zeichnete sich ein enges Abhängigkeitsverhältnis zwischen den beiden ab: Hitler war auf immer stärkere Präparate angewiesen, um handlungsfähig zu bleiben. So konnte sich Dr. Morell durch das Naheverhältnis zu seinen prominentesten Patienten (Patient A – Hitler, Patient B – Eva Braun, Patient C – Benito Mussolini) auch noch wirtschaftliche Vorteile verschaffen. Durch Kombinations-Injektionen aus Pervitin, Eudokal und Kokain und durch zusätzliche „Vitamultin“-Täfelchen als Schokoladeersatz war er für den Führer unverzichtbar.
Nach dem missglückten Stauffenberg-Attentat im Juli 1944 in der Wolfsschanze, konnte der unter Rauschmitteleinfluss stehende Hitler seine heftigen Verletzungen (Splitter, Brandwunden, zwei geplatzte Trommelfelle) vorerst gut überspielen, doch bald benötigte er die fachärztliche Behandlung eines HNO-Spezialisten (Dr. Erwin Giesing). Hitlers Leibarzt Dr. Morell setzte sich aber bald gegen diesen Konkurrenten durch, konnte aber trotz seines aufopfernden Einsatzes nichts gegen seine eigene abrupte Entlassung Mitte April 1945 unternehmen. Hitler selbst wählte kurz darauf gemeinsam mit seiner frisch angetrauten Gattin Eva den Freitod.

Anhänge:


Kontakt bei Rückfragen:
Carmen Sourij
schulservice@fh-kaernten.at
Tel.: +43 5 90500 7315

Partner Maturaprojekt-Wettbewerb